Die Venus hatte es schon den Völkern ältester Kulturen wegen ihrer Helligkeit angetan. Denn in gewissen Stellungen von Erde, Venus und Sonne leuchtet der Planet so hell am Himmel, dass er auch am Tage sichtbar ist. Die Venus ist fast so groß wie die Erde, der sie sich bis auf 38 Mio. km nähert (Mars: 54 Mio. km). „Höchstwahrscheinlich herrschen auf ihr Zustände wie vor Jahrmillionen auf der Erde, als riesige Farne und Schachtelhalme die irdische Flora ausmachten und Rieseninsekten und Amphibien unseren ewig feucht-warmen Heimatplaneten bevölkerten“. So konnte ich es in einem Buch, erschienen Anfang der sechziger Jahre, noch lesen. Inzwischen wissen wir es besser: Die Venus ist extrem lebensfeindlich.
Möglicherweise sei der Planet in der Vergangenheit bewohnbar gewesen, meint man u.a. am Zentrum für Astrophysik der TU Berlin. Etwa drei Milliarden Jahre habe ein erdähnliches Klima geherrscht, bis ein noch unverstandener Treibhauseffekt die Temperatur ansteigen ließ. Heute ist die Luft erfüllt mit giftigen Gasen, der Druck in der Atmosphäre ist 90 Mal höher als auf der Erde, und auf der Oberfläche ist es mit bis zu 500 Grad Celsius höllisch heiß. Doch in 50 km Höhe sind Druck, Temperaturen (20 bis 30 Grad), Strahlung und Schwerkraft fast identisch mit den Verhältnissen auf der Erde.
Im Herbst 2020 sorgte eine Meldung für weltweites Aufsehen, dass in der Venusatmosphäre mit Hilfe radioteleskopischer Messungen Moleküle entdeckt worden seien, die sogar für die Existenz von Leben sprächen. Die Entdeckung gilt zwar als wissenschaftlich nicht gesichert, unter Wissenschaftlern wird dennoch weiter spekuliert: Mikroben, die einst an der Oberfläche der Venus entstanden, bevor alles Wasser verdampfte, könnten in der Atmosphäre Zuflucht gefunden und in Wolkentröpfchen überlebt haben. Leben auf der Venus sei also gar nicht so unwahrscheinlich.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit könnten sich Menschen in dieser „habitatualen Zone“ der Venus aufhalten. Mit einem Zeppelin ließen sich vor Ort die Ursachen für den Treibhauseffekt der Venus analysieren und die Erkenntnisse für den Kampf gegen den Klimawandel auf der Erde nutzen.
Science-Fiction? Noch ja, aber vielleicht nicht für immer. Ziel des High Altitude Venus Operational Concept (Havoc) der NASA ist es, mit einem bemannten Luftschiff die Venus oberhalb der dichten Wolkendecke zu umrunden und zu erforschen. Zur Venus gelangt das Luftschiff zusammengefaltet in einem Raumschiff. In der Venusatmosphäre wird dann der platinbeschichtete Solarzeppelin mit Sauerstoff und Stickstoff gefüllt werden, um den nötigen Auftrieb zu bekommen.
Die Erforschung der Venus soll in mehreren Phasen verlaufen: Im ersten Schritt würde ein Roboter in die Venusatmosphäre geschickt werden, um die dort herrschenden Bedingungen genauer zu analysieren. Danach soll ein bemanntes Raumschiff mit einem Luftschiff im Gepäck zur Venus fliegen. Wissenschaftler und Astronauten würden in dem Luftschiff dreißig Tage den Planeten umkreisen. Anschließend soll ein einjähriger Aufenthalt klären, ob ein dauerhafter Aufenthalt in der Atmosphäre für Menschen möglich ist. Mehrere Luftschiffe könnten dann nach und nach zu fliegenden Forschungsstationen zusammengekoppelt werden.
Laut einer Meldung des WDR hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt Zukunftsvisionen erarbeitet, die noch darüber hinaus gehen: Durch eine ganze Flotte von Luftschiffen könnten Menschen in einer Art Zeppelinsiedlung dauerhaft wohnen und dort mit Hilfe von schwebenden Gewächshäusern und Wassergewinnung aus dem Kohlendioxid der Atmosphäre autark existieren. „Venus Cloud Cities“ nennen die Protagonisten ihre Vision – Städte in den Wolken, die später auch offen sein sollen für Weltraumtouristen.
Noch nennt die NASA keinen Zeitplan für das Havoc-Projekt. In naher Zukunft dürfte mit einer Realisierung deshalb nicht zu rechnen sein.
Es gibt wohl doch nur einen realistischen Weg, dem drohenden ökologischen Kollaps zu entgehen, und man muss ihn nicht auf Venus oder Mars suchen, sondern hier auf unserem Planeten. Die Erde ist perfekt, schön und voller Naturwunder. Wir müssen nur besser auf sie achtgeben.
Wollen wir unseren Enkeln wirklich eine Welt ohne Gletscher und Regenwälder hinterlassen, ohne Wale und Elefanten? Ich möchte mir das nicht vorstellen müssen.