Wer Marketing auf aggressive Werbe- und Verkaufsmethoden reduziert, verkennt, dass sich das moderne Marketing zu einem ganzheitlichen Unternehmenskonzept entwickelt hat:
Im Mittelpunkt aller unternehmerischen Aktivitäten, von der Produktentwicklung bis zur Reklamationsbearbeitung, sollte das Bemühen um Kundenzufriedenheit stehen – nicht aus purer Menschenfreundlichkeit, sondern um die Existenz des Unternehmens langfristig zu sichern. Dass das nicht alle Unternehmen begriffen haben, ist bekannt, ändert allerdings nichts an der Notwendigkeit von Marketing. Zu oft bleibt Marketing nur ein Lippenbekenntnis der Geschäftsleitung – ein schöner Spruch in Hochglanzbroschüren oder ein flotter Slogan auf der Webseite.
Patentrezepte gibt es im Marketing nicht. Es gibt aber durchaus bewährte Grundsätze für den Markterfolg, die zwar einfach klingen, jedoch nur mühsam umzusetzen sind. Einer dieser Kerngedanken lautet: Sei deinen Konkurrenten um eine Nasenlänge voraus, und denke immer an die Kunden – ohne Zweifel richtig, doch brandgefährlich, wenn dabei die Kosten aus dem Blickfeld geraten. Unternehmen brauchen Gewinne. Sie müssen in Innovationen und Marketing investieren, wenn sie sich dauerhaft behaupten wollen. Extreme Kundenorientierung verursacht allerdings hohe Kosten, und hohe Kosten schmälern in der Regel den Gewinn. Eine Überdosis Marketing kann also auch sehr riskant sein. Diese Gratwanderung – Kostenkontrolle und Gewinnerzielung einerseits, Kundenzufriedenheit andererseits – ist heute die wohl wichtigste unternehmerische Herausforderung.
Wie schafft man es, Kunden zufrieden zu stellen?
Abgesehen von Spontankäufen entscheidet der Kunde danach, welches Produkt am ehesten seinen Vorstellungen entspricht. Aus der Fülle der Angebote sucht er sich das für ihn Passende aus. Und das ist entweder das Angebot, das aus seiner (!) Sicht besser oder das preiswerter (bzw. beides) ist als das der Konkurrenz.
Sich als Anbieter unverwechselbar machen, die Wettbewerber hinter sich lassen – so funktioniert Marketing. Dabei sollte nicht nur an den Grundnutzen eines Produktes gedacht werden; konkurrierende Produkte in der gleichen Preisklasse unterscheiden sich hierin ohnehin kaum. Bessere Alleinstellungsmöglichkeiten bietet der sog. Zusatznutzen: Produktgestaltung, ökologische oder soziale Aspekte, Service, das Verkaufssystem oder das Produktimage.
Unternehmensgründer werden in der Regel nach unbesetzten Marktlücken oder -nischen suchen. Auch wenn das Kopieren erfolgreicher Geschäftsmodelle verführerisch ist – unkreatives „Abkupfern“ funktioniert nur, solange der Markt nicht gesättigt ist. Und das geht heute schnell, wie das Beispiel der vielen Fitnessstudios, Coffeeshops oder Pizza-Lieferdienste zeigt. Wer hier einsteigt, gerät schnell unter Druck, wenn es ihm nicht gelingt, sich durch kluges Marketing deutlich von den Wettbewerbern abzugrenzen. Handelt es sich um ein gänzlich neues Produkt, sind die Herausforderungen allerdings sehr hoch. Neben dem Marketing und den betriebswirtschaftlichen Aufgaben sind die Beschaffungs- und Produktionsprozesse zu organisieren und die Produktentwicklung erfolgreich zu Ende zu bringen. Selbst erfahrene Unternehmen geraten dabei leicht ins Stolpern. Typische Tüftler tun sich deshalb oft schwer, ihre Innovation selbst zu vermarkten. Aber machbar ist das natürlich.
Im Markt bereits bewährte Ideen zu verbessern oder auf neue Märkte, Anwendungsbereiche oder Kundengruppen zu übertragen, ist mit weniger Risiken verbunden als die Einführung bislang völlig unbekannter Angebote. McDonald’s hat nicht den Hamburger erfunden, Apple nicht den PC und Sony nicht den legendären Walkman. Diese Unternehmen waren clevere „Weiterentwickler“. Sie wussten, wo und wie sie ihre Kunden packen können.
Auf spezielle Kundengruppen konzentrieren
Viel ist bisher die Rede von Kunden und Kundenzufriedenheit gewesen. Dies darf aber nicht dazu führen, „die“ Kunden als einheitliche Gruppe anzusehen. Undifferenziertes „Schrotflinten-Marketing“ funktioniert bestenfalls bei Waren wie Schrauben oder Heizöl; Käufergruppen mit unterschiedlichen Erwartungen gibt es hier selten. In allen anderen Branchen kommt es darauf an, sich auf eine oder wenige Käufergruppen zu fokussieren und für diese Kundensegmente spezielle Angebote zu entwickeln.
Der Marketing-Mix – Herzstück des Marketings
An den Bedürfnissen dieser Zielgruppen müssen sich alle Marketinginstrumente orientieren, und zwar in Form
- des Produkts (Leistung, Qualität, Design usw.),
- des Services (vor, während und nach dem Kauf),
- des Preises und der Zahlungsbedingungen,
- der Distribution, d. h. des Vertriebs (wo und wie das Produkt gekauft werden kann),
- der Kommunikation (die das Angebot bekannt machen und ihm ein bestimmtes Image verleihen soll).
Die Kombination der damit verbundenen Maßnahmen bezeichnet man als Marketing-Mix (Produkt-, Service-, Preis-, Vertriebs- und Kommunikationspolitik). Ist alles aus einem Guss, d. h. widerspruchsfrei aufeinander abgestimmt, sind die Chancen groß, Kunden zu finden und vielleicht sogar zu begeistern – keine ganz einfache Aufgabe, denn in der Praxis ist es wie in unseren Kantinen: Selbst bei nahezu identischen Zutatenlisten mundet die von den Köchen aufgetischte Speise höchst unterschiedlich. Auch das optimale Zusammenspiel der Marketinginstrumente ist nicht zuletzt eine Frage von Erfahrung, Fingerspitzengefühl – und einem Quäntchen Glück. Ist klar, welcher Nutzen welchen Kunden angeboten werden kann, ist die Marketingstrategie so gut wie vorgegeben.
Die Richtlinien für das Marketing sind damit mittel-und langfristig festgelegt. Wie erfolgreich die Umsetzung gelingt, hängt von dem zur Verfügung stehenden Geld ab – und natürlich von der Kreativität des Gründers oder der Gründerin bzw. der externen Spezialisten.
Von der Strategie zu den Maßnahmen
Was fehlt, ist die Erarbeitung der zur Strategieumsetzung erforderlichen operativen Maßnahmen, also die Kombination der Marketinginstrumente zum Marketing-Mix. Marketingstrategie und Marketing-Mix bilden zusammen mit den Marketingzielen (z. B. bezüglich Kundenanzahl, Umsatz und Gewinn, Marktanteil, Bekanntheit und Image) die Marketingkonzeption. Auf Details der Maßnahmenplanung einzugehen, ist im Rahmen dieser Einführung ins Marketing nicht möglich und für Gründer auch erst einmal nicht erforderlich.
Ich möchte diesen Überblick mit drei Statements beschließen – drei Voraussetzungen für erfolgreiches Marketing:
Erstens: Die beste Marketingstrategie taugt nichts, wenn ihr nicht eine überzeugende, kundenorientierte Leistungsidee zugrunde liegt.
Zweitens: Nur wer die Wünsche und Vorstellungen der Kunden kennt und über die Marktsituation Bescheid weiß, kann die Marketinginstrumente gezielt einsetzen. Intuition und Fingerspitzengefühl sind wichtig, reichen aber angesichts der komplexen Marktstrukturen nicht mehr aus. Unverzichtbar sind heute Kundenumfragen, Experteninterviews und Konkurrenzbeobachtungen.
Drittens: Marketing muss mehr einbringen als es kostet. Nur an die Kunden und die Umsätze zu denken, reicht daher nicht. Genauso wichtig ist das wirtschaftliche Ziel des Unternehmens, der Gewinn.
Der Schnelldurchlauf durch die Marketingtheorie ist damit beendet. Ich hoffe, dass ich Sie mit den Grundgedanken des modernen Marketings vertraut machen konnte. Zum Schluss dieses Kapitels noch ein paar Tipps von Gründern für Neugründer, aufgelesen auf einer der letzten „Langen Nacht für Start-ups“ in Berlin:
„Baut auf etwas auf, was ihr wirklich leidenschaftlich gern tut. Holt euch Feedback von Nutzern. Ihre Ideen können helfen, das Produkt noch besser zu machen.“
„Einfach dranbleiben. Es klappt selten beim ersten Anlauf. Wichtig ist, dass man gerade aus den Misserfolgen lernt.“
„Sucht schon jetzt das Gespräch mit den zukünftigen Kunden.“
„Durchhalten und auch dem Instinkt vertrauen. Im Zweifel nicht nur eine Meinung, sondern mehrere einholen.“
„Lasst euch nicht davon entmutigen, dass im Gründungsprozess viele Dinge anders laufen als geplant.“
„Einen klaren Nutzen für das Angebot definieren und dann testen, z. B. durch Befragung zukünftiger Kunden.“
Hier spürt man beides: Feuer und Marketing-Denke.