Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der amerikanische Schausteller P.T. Barnum mit seinem bizarren Kuriositätenmuseum fast über Nacht zum Multimillionär. Sein Erfolgsrezept: maßlos übertreibende, überall präsente Reklame, bei er auch nicht vor dem Gebrauch „alternativer Fakten“ scheute. P.T. Barnum schrieb damit Werbegeschichte, doch der Ruf von Reklame war ramponiert. Erst Marketing-Vordenker wie Hans Domizlaff und David Ogilvy haben später mit dafür gesorgt, dass sich die Werbung von ihrem generellen Schmuddelimage befreien konnte. Marketingleute sprechen nicht ohne Grund lieber von Kommunikation oder Werbung statt von Reklame – P.T. Barnums Wirken hat bis heute Spuren hinterlassen.
Als „Vater der amerikanischen Propaganda“ bezeichnete die Werbefachzeitschrift Die Reklame im September 1929 den Schausteller P.T. Barnum (1810 –1891) anlässlich der Teilnahme europäischer und amerikanischer Werbefachleute an dem „Weltreklamekongress Berlin 1929“. Auf diesem Mega-Event fand fast so etwas wie ein Kampf der (Werbe)-Kulturen statt – „typisch amerikanische Marktschreierei“ gegen den „Verkaufsstil des ehrbaren Kaufmanns“.
P.T. Barnum nannte sich selbst „König Humbug“. „Geniales Großmaul“ hätte auch gestimmt. Den Gebrauch „alternativer Fakten“ beherrschte er meisterhaft, wie Die Reklame schrieb:
„Als ein kleines Beispiel seiner Methode sei der angeblich erste nach Amerika gebrachte Gorilla genannt, den Barnum in seinem ‚Museum der unglaublichen Sehenswürdigkeiten’ ausstellte. Der Affe, kein Gorilla, sondern ein kräftig entwickelter Baboon, zog gewaltige Massen an. Als ein Gelehrter öffentlich erklärte, das Tier könne kein Gorilla sein, da es – anders als Gorillas – einen Schwanz habe, ließ Barnum umgehend riesengroße Plakate ankleben: Der einzige Gorilla mit einem Schwanz! Wunderbares Naturschauspiel! Und die New Yorker drängelten sich täglich vor dem Eingang zum Museum, um das höchst seltene Naturwunder bestaunen zu können.“ Und weiter (Verschwörungstheoretiker aufgepasst): Je unwahrscheinlicher etwas ist, desto leichter werde es vom Publikum geglaubt, war das Motto dieses genialen Show- und Geschäftsmanns.“
Später fuhr P. T. Barnum mit seinen absonderlichen Sensationen von Stadt zu Stadt und ließ sich zu diesem Zweck das größte Zelt der Welt bauen. Daraus entwickelte sich der weltberühmte Zirkus Barnum & Bailey, der mit großem Erfolg durch Europa tourte und dabei auch in Deutschland Station machte.
Ebenso beeindruckend wie seine Karriere als Zirkusdirektor war Barnums Talent für Reklame. Scheinwerfer, Lautsprecher, Flaggen, Fesselballons und riesige Poster sorgten für Aufmerksamkeit. Mit der Wahrheit nahm er es dabei nicht so genau. Dennoch, das Publikum liebte ihn und seine Shows und machte ihn zum Millionär. Diese „Reklame des Bluffs“ verfehlte bei den auf alles Neuartige erpichten Amerikanern in den wilden Jahren des 19. Jahrhunderts ihre Wirkung nicht. Kein Wunder, dass danach noch viele Unternehmen der Superlativreklame mehr vertrauten als einem zurückhaltenden Werbestil. P.T. Barnum drückte es so aus: Reklame in homöopathischen Dosen wirke „wie ein zu schwaches Brechmittel“, das nur übel mache, ohne zu wirken. „Man verschreibe reichliche Gaben, und die Wirkung wird nicht ausbleiben.“