12. November 1912. Endlich hat die norwegische Suchexpedition eine Spur von Robert Falcon Scott gefunden – das Zelt des seit seinem Aufbruch zum Südpol verschollenen Polarforschers. Im Zelt blicken sie auf drei Tote: Scott und zwei seiner Begleiter, „abgemagert, die Haut glasartig, Frostspuren von den Füßen bis zu den Knien“. Scott und seine Kameraden hatten am 18. Januar 1912 den Südpol erreicht – aber sie waren nicht mehr die ersten. Ihr Rivale Raold Amundsen war ihnen rund einen Monat zuvorgekommen; am Pol wehte jetzt die norwegische Flagge. Angesichts dieser Niederlage verzweifelt und bereits völlig entkräftet, trat die Gruppe den 1.300 km langen Rückweg zur Basisstation an. Drei Monate später starben Scott und seine Begleiter an Hunger, Erschöpfung und Unterkühlung, nur ein paar Kilometer von einem Materialdepot entfernt. Scott und Amundsen galten seitdem als Ausnahmepersönlichkeiten, als Helden. Nur wenige verfügen über einen derart unbeugsamen Willen, an Zielen trotz aller Widerstände festzuhalten. Scheitern ist nicht vorgesehen.

In seinem Tagebuch macht Scott die Wetterbedingungen und andere Misslichkeiten für das Scheitern seines Südpolmarsches verantwortlich und attestiert sich und seinen Kameraden „Kühnheit, Ausdauer und Mut“. Eigenes Verschulden erkennt er nicht. „An unserem Unheil trägt nicht mangelhafte Vorbereitung Schuld, sondern Missgeschick“, lautet eine seiner letzten Tagebucheintragungen.

Die Heldenverehrung Scotts begann erst relativ spät im 20. Jahrhundert einer differenzierteren Betrachtung zu weichen. 1966 wurde in einer Scott-Biographie dem Polarforscher erstmals persönliches Fehlverhalten vorgeworfen. Von da an sind fast ausschließlich negative Enthüllungen über Scott bekannt geworden: „niederschmetternde Beweise von Pfuscherei“, „planlose Expeditionsvorbereitung“, „Egomanie und Eitelkeit“, „Beratungsresistenz“, „Führungsstil ohne Weitblick“ – alles authentische Zitate von Zeitzeugen, Wissenschaftlern und Forschern. Von der Eigenverantwortung für die Katastrophe kann demnach Robert Scott nicht freigesprochen werden. (Seinem Ruhm tat dies allerdings keinen Abbruch.) Hauptsächlich werden in den Berichten folgende Fehler und Versäumnisse erwähnt:

  • Scott und seine Mannschaft verfügten über keine nennenswerten Erfahrungen zum Überleben in polaren Regionen. Er verwendete kaum Zeit, sich und seine Männer auf ihre kommenden Aufgaben vorzubereiten und die Ausrüstung hinreichend zu testen.
  • Die mitgeführten Ponys und Motorschlitten waren, wie Scott vorausgesagt worden war, den antarktischen Bedingungen nicht gewachsen. Alle Ratschläge, die mehr Hunde als Zugtiere empfahlen, schlug er aus.
  • Das letzte Materialdepot errichtete Scott weiter nördlich als ursprünglich geplant, trotz Warnung seines Begleiters: „Sir, ich fürchte, Sie werden es bereuen, meinen Rat nicht angenommen zu haben.“ Das lebensrettende Depot erreichte die Expedition nicht mehr.
Scott und seine Männer am Südpol – einen Monat nach Amundsen (wikimedia.commons)

Gibt es Lehren, die man aus dem tragischen Scheitern Scotts für die Karriereplanung ziehen kann?

Hauptursachen für die fatalen Fehler waren vier heimtückische Erfolgskiller: Besessenheit, Starrsinn, Überforderung und Überheblichkeit. Selten sind diese Faktoren derart extrem ausgeprägt wie bei Scott. Dennoch ist man gut beraten zu überprüfen, ob man bei ambitionierten Vorhaben nicht zumindest tendenziell derartige Anwandlungen verspürt, die einen stürzen lassen könnten. Andererseits: Ohne die Erfolgsfaktoren Zielstrebigkeit, Beharrlichkeit, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft sind große Ziele nicht zu erreichen. Visionen bleiben sonst Illusionen.

Wer hochgesteckte Karriereziele erreichen will, braucht Mut, Leidenschaft und Selbstvertrauen. Und er braucht die Bereitschaft, eigene Einschätzungen und Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. Der Weg nach oben ist voller Stolpersteine. Mit die größte Gefahr ist Hybris – Überheblichkeit, gepaart mit Ignoranz. Robert F. Scott ist daran gescheitert wie auch so manche der heutigen charismatischen Management-Lichtgestalten, die Opfer ihrer Selbstüberschätzung geworden sind.

Ob Sie das, was Sie erreichen wollen, auch erreichen könnten, hängt aber nicht nur von Ihren Potenzialen ab, sondern auch von dem Weg, der Sie zu Ihren Zielen führen soll – Ihrer Strategie. Um so zu leben, wie es Ihren Wünschen und Möglichkeiten entspricht, müssen Sie private und berufliche Bereiche berücksichtigen – und bereit sein, neue Wege einzuschlagen.

All das verstehe ich übrigens unter strategischer Lebensgestaltung – unter Life Management.


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